Über Geld sprechen die meisten Menschen bekanntlich nicht gerne, zumindest wenn es um das eigene Einkommen geht. Bei den Gehältern von Fremden ist die Zurückhaltung oft geringer. Gerade Politiker müssen sich häufig des Vorwurfs erwehren, sie übten ihr Amt nur aus, um persönliche Vorteile zu erlangen.
Aber was verdienen eigentlich die Mitglieder der Lübecker Bürgerschaft für ihre Arbeit dort? Zeit für einen genauen Blick.
Die erste Erkenntnis: Das Bürgerschaftsmandat ersetzt den Beruf nicht. Es handelt sich um ein sog. “Ehrenamt”. Das bedeutet, kein Mitglied der Lübecker Bürgerschaft macht die Bürgerschaftsarbeit hauptberuflich. Im Hauptberuf sind sie Angestellte, Studenten, Beamte, Rechtsanwälte, Kita-Mitarbeiter etc. Die Arbeit in der Bürgerschaft unterscheidet sich damit grundlegend von einem Mandat in den Landtagen oder im Bundestag. Die dort gezahlten Diäten sind so auskömmlich, dass niemand gezwungen ist, neben der Arbeit im Parlament noch einen Job auszuüben. Machen viele trotzdem, aber das ist eine andere Geschichte.
Grundlage für die “Aufwandsentschädigung” des Ehrenamts in der Lübecker Bürgerschaft ist die Landesverordnung über Entschädigungen in kommunalen Ehrenämtern. § 2 Abs. 2 setzt die Höhe der Entschädigung für die “Mitglieder der Gemeindevertretungen”, in Lübeck also die Mitglieder der Bürgerschaft, auf aktuell 412 € fest. Hierbei handelt es sich um Höchstbeträge. Bis 2023 hatte Lübeck geringere Sätze gezahlt. Seit einem Beschluss der Bürgerschaft bestimmt nunmehr aber § 14 Abs. 2 der Hauptsatzung der Hansestadt Lübeck, dass die Ratsmitglieder den Höchstsatz von 100% des Betrags aus der Landesverordnung erhalten.
Nur 412 € da gibt es aber bestimmt noch Zulagen, oder?
Ja und Nein. Für die überwiegende Zahl der Bürgerschaftsmitglieder, etwa zwei Drittel von ihnen, ist genau dieser Betrag die Aufwandsentschädigung, die sie monatlich aufs Konto bekommen. Mehr gibt es nicht. Sitzungsgelder oder Fahrkosten kommen nicht dazu. Lediglich, wer einem Bürgerschaftsausschuss leitet, bekommt pro Sitzung (meistens also 10x im Jahr) noch ein Sitzungsgeld in Höhe von 28 € obendrauf. Ansonsten erhalten Bürgerschaftsmitglieder für den Besuch eines Ausschusses oder die Teilnahme an der Bürgerschaftssitzung kein weiteres Sitzungsgeld.
Dann kommen hervorgehobene Positionen, für die es eine Extraentschädigung gibt. Der Anteil der Bürgerschaftsmitglieder mit solchen Funktionen liegt bei etwa einem Drittel: Die Mitglieder des Stadtpräsidiums, des Hauptausschusses sowie die Fraktionsvorsitzenden erhalten solche Zahlungen. Das Stadtpräsidium besteht aus der Stadtpräsidentin, ihrem Stellvertreter und einer zweiten Stellvertreterin. Die Entschädigung beträgt für sie 1.013 € bzw. 202,60 € und 101,30 € und kommt auf die Aufwandsentschädigung für das Bürgerschaftsmandat obendrauf. Jede Fraktion hat einen Fraktionsvorsitzenden, der monatlich 292 € zusätzlich erhält. Die Mitglieder des Hauptausschusses, ein Ausschuss der häufiger tagt und dem besondere Entscheidungen übertragen wurden, bekommen noch einen Aufschlag von 243 €.
Was ist mit Verdienstausfall?
Beim Verdienstausfall ist es so: Bei normalen Angestellten, der von seinem Arbeitgeber für die Sitzung in der Bürgerschaft oder einem Ausschuss freigestellt wird, erstattet die Bürgerschaft dem Arbeitgeber direkt die Kosten des Ausfalls. Selbständige erhalten eine Entschädigung pro Stunde der Ausübung des Amtes . Die Höhe orientiert sich an ihrem Verdienst. Allerdings sind die Sätze in Lübeck bei 27,50 € pro Stunde maximal 137,50 € pro Tag gedeckelt.
Aber die sitzen doch alle in Aufsichtsräten und da gibt es richtig Geld, oder?
Tatsächlich nehmen nicht wenige Bürgerschaftsmitglieder ein Aufsichtsratsmandat wahr. Grund hierfür ist, dass die Stadt an zahlreichen Gesellschaften beteiligt ist. Meistens übernehmen diese Gesellschaften Aufgaben, die früher mal in die Stadtverwaltung integriert waren und irgendwann in die private Gesellschaftsform einer GmbH überführt wurden (zum Beispiel die Stadtwerke, das Theater oder das Tourismusmarketing). Da die Stadt Anteile an diesen Gesellschaften hält, fast immer sogar die Mehrheit der Anteile, kann sie bei der Vergabe der Aufsichtsratsposten mitbestimmen. Hier kommen die Mitglieder der Bürgerschaft ins Spiel, die häufig diese Ämter wahrnehmen. Allerdings bleibt der Verdienst im überschaubaren Rahmen. Selbst in den großen Gesellschaften ist die Vergütung bei 1500 € pro Jahr gedeckelt. Bei der Aufsichtsratsvergütung handelt es sich übrigens nicht um eine Entschädigung, die teilweise steuerfrei ist, sondern um eine ganz normale und voll zu versteuernde Vergütung.
Musterbeispiele
Ganz schön viele Zahlen. Aber schauen wir uns mal konkrete Personenbeispiele an.
Der Normalo
Der Normalo hat keine besondere Funktion, leitet keinen Ausschuss und wurde auch nicht für den Aufsichtsrat nominiert.
Er bekommt 412 € im Monat. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass von diesem Betrag der überwiegende Anteil (genau 307 €) steuerfrei bleibt. Die meisten Bürgerschaftsmitglieder sind “Normalos” in diesem Sinn.
Der Aktivposten
Der Aktivposten ist von seiner Fraktion in den Hauptausschuss gewählt worden. Zudem ist er als Rechtsanwalt selbständig und auch in einen Aufsichtsrat entsandt.
Er bekommt: 412 € Entschädigung für die Bürgerschaft
+ 243 € Entschädigung für den Hauptausschuss
+ 125 € für den Aufsichtsrat (1500 € / 12 Monate)
+ 412,50 Verdienstausfall (zB 15 Stunden a 27,50 €)
Er bekommt also insgesamt 1.190,50 €. Wobei dieser Wert etwas irreführend ist, weil dem Rechtsanwalt ja der Verdienst im Hauptberuf tatsächlich “entgangen” ist, denn er konnte, während er in der Bürgerschaft sitzt, keine Mandanten empfangen, Schriftsätze aufsetzen, etc.
Die Fraktionsvorsitzende
Die Fraktionsvorsitzende sitzt für ihre Fraktion (die Mehrheit der Fraktionen macht das so) auch im Hauptausschuss und in einem der städtischen Aufsichtsräte. Sie ist hier in diesem Fallbeispiel Angestellte. Bei Angestellten wird der Verdienstausfall direkt an den Arbeitgeber erstattet, nicht an das Ratsmitglied.
Sie bekommt: 412 € Entschädigung für die Bürgerschaft
+ 243 € Entschädigung für den Hauptausschuss
+ 292 € für den Fraktionsvorsitz
+ 125 € für den Aufsichtsrat (900 € / 12 Monate)
Die Fraktionsvorsitzende bekommt also hier im Beispiel auf 1.072 €.
Fazit
Die Vergütung, die ein Bürgerschaftsmitglied in Lübeck erhält, reicht nicht aus, um den Brotberuf aufzugeben. Das ist auch politisch nicht gewollt. Bei der Arbeit in der Bürgerschaft geht es um die Wahrnehmung eines Ehrenamts, nicht darum reich zu werden oder hauptberuflich Politik zu machen. Immer wieder stoßen die Bürgerschaftsmitglieder an Grenzen, wenn sie Bürgerschaftsarbeit und einen Beruf unter einen Hut bringen wollen. Das Gesetz sieht zwar Freistellungansprüche vor, aber berufliche Notwendigkeiten führen trotzdem gelegentlich zu Kollisionen. Denn nicht jeder will seinem Arbeitgeber zumuten, ständig in kommunalpolitischer Mission unterwegs zu sein
Reichtümer werden mit der Bürgerschaftsarbeit jedenfalls nicht angehäuft und das ist in meinen Augen auch richtig so.